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apoInstitutionell: Zinsanstieg belastet Versorgungseinrichtungen

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apoInstitutionell: Zinsanstieg belastet Versorgungseinrichtungen

Die aktuellen Entwicklungen am Kapitalmarkt zeigen, dass die Zinswende zu einer Neubewertung von Vermögenswerten führt und somit einen erheblichen Einfluss auf deren Attraktivität hat. Was bedeutet ein solch einschneidendes Ereignis für verpflichtungsorientierte Investoren? Mit welchen Auswirkungen ist kurz- und langfristig zu rechnen? Ein möglichst realistisches Gesamtbild und die Folgen für Bilanz und Finanzierbarkeit können mit einer Asset-Liability-Studie simuliert und aufgezeigt werden.

Simuliertes Zinsszenario

Um die Entwicklung seit Jahresende 2021 nachzustellen, einen Blick in die Zukunft zu geben sowie die kurz- und langfristigen Effekte zu analysieren, gehen wir von einer fiktiven Versorgungseinrichtung mit typischen Bilanzierungsregeln und einer gängigen, breit diversifizierten Kapitalanlage aus, die die Vorgaben des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) bzw. der Anlageverordnung (AnlV) berücksichtigt. Der Kapitalanlage stehen – vor dem Hintergrund des Marktszenarios – die Verpflichtungen und die sich daraus ableitenden Cash-Flows gegenüber. Zusätzlich zu den bisherigen Zinsentwicklungen wurde ein weiterer Anstieg von 75 Basispunkten für 2023 angenommen. Die daraus resultierenden EUR Mid Swap Kurven dienen als Grundlage für die Simulation.

Deckungsgrad signifikant rückläufig

Eine wichtige Kennziffer zur Ermittlung der Finanzierbarkeit von Leistungszusagen ist der Deckungsgrad. Dieser errechnet sich als Verhältnis vom Buchwert der Kapitalanlage zur Deckungsrückstellung. Letztere stellt den gegenwärtigen Barwert der Leistungen, gemindert um den Barwert der Beitragszahlungen, dar. Ist der Deckungsgrad größer als 100 Prozent, liegt eine bilanzielle Überdeckung vor, die aufgrund von Risikovorsorgepflichten auch gefordert wird. Als Faustregel gilt: Je höher der Deckungsgrad, desto besser die Finanzierbarkeit der Leistungszusagen einer kapitalgedeckten Versorgungseinrichtung.

Was passiert nun mit dem Deckungsgrad, wenn sich die Zinsen wie oben dargestellt entwickeln? Es zeigt sich, dass trotz Berücksichtigung von typischen Bilanzierungsregeln des deutschen HGB ein Rückgang des Buchwerts der Kapitalanlagen und damit des Deckungsgrades in den Jahren des Zinsanstiegs unvermeidlich ist. Je nach Allokation der Kapitalanlage, der Höhe der verfügbaren stillen Reserven und der Notwendigkeit von Abschreibungen kann sich der Deckungsgrad um bis zu sieben Prozentpunkte reduzieren. Unter der Annahme, dass in 2023 eine weitere moderate Zinserhöhung folgt, ist ein zusätzlicher Rückgang von bis zu fünf Prozentpunkten denkbar. Bis der Deckungsgrad sein Ausgangsniveau wieder erreicht hat, können sogar bis zu 15 Jahre vergehen. Mit anderen Worten: Die potenziellen kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen sollten nicht unterschätzt werden, wenngleich langfristig dank höherer Renditen ein Ausbau des Deckungsgrades wieder möglich ist.

Möglichkeit zur Dynamisierung beschränkt

Die simulierten Entwicklungen beinhalten keine inflationsausgleichende Anpassung der Leistungen und Anwartschaften. Geht man davon aus, dass die gegenwärtige Inflation von rund zehn Prozent sowie die Erwartung eines auch im nächsten Jahr erhöhten Preisauftriebs zu einer Forderung nach steigenden Leistungen und Anwartschaften führt, scheint die aktuelle Situation verzwickt. Denn so eine Forderung ist angesichts des damit verbundenen Effekts auf den Deckungsgrad trotz deutlich gestiegener Wiederanlagezinsen nur schwer zu realisieren. Eine Dynamisierung der Leistungen und Anwartschaften führt ceteris paribus zu einem Anstieg der Deckungsrückstellung und ruft somit – neben den bereits gesunkenen Buchwerten – eine weitere Reduzierung des Deckungsgrades hervor. Vorgeschrieben ist, dass der Deckungsgrad 100 Prozent zzgl. einer Reserve in Abhängigkeit der Risikopositionierung der Kapitalanlage betragen soll. Aufgrund der in den letzten Jahren ausgeweiteten Investitionen in Anlageklassen mit höherem Risikogehalt ist auch die Anforderung an den bilanziellen Reserveaufbau gestiegen. Sollte der Deckungsgrad aufgrund von Abschreibungen einzelner Kapitalanlagen zu sehr belastet werden, wäre eine Dynamisierung also nicht möglich.

Kapitalmarktreserven weitgehend aufgebraucht

Aufgrund der Zinserosion der letzten Jahre hat sich bei der Zusammensetzung der Nettoverzinsung der Anteil ordentlicher Erträge tendenziell reduziert. Stille Reserven der Kapitalanlagen mussten laufend aufgelöst werden, um die Ziel-Nettoverzinsung zu erreichen und um eine Absenkung des Rechnungszinses zu finanzieren, damit sich das Zinserfordernis an die Kapitalanlage reduziert. Aufgrund der jüngsten Kapitalmarktverwerfungen werden in den kommenden Jahren stille Reserven nur in überschaubarem Umfang zur Verfügung stehen. Dies dürfte wiederum zu einer geringeren Nettoverzinsung führen, so dass wahrscheinlich vereinzelt die bilanzielle Möglichkeit zum Vortrag stiller Lasten genutzt werden muss. Auch diese Simulationsergebnisse verdeutlichen die Herausforderungen und zeigen auf, dass eine inflationsausgleichende Dynamisierung in den nächsten Jahren nur schwer aus den stillen Reserven der Aktivseite finanziert werden kann.

Paradoxe Zusammenhänge

Fazit: Der Zinsanstieg ist zwar ein seit Jahren ersehntes Ereignis, führt er doch dank höherer Wiederanlagezinsen langfristig zu einer Entlastung. Kurz- bis mittelfristig hingegen führt er zu einer Belastung, da er mit fallenden Kurs- und Buchwerten bestehender Kapitalanlagen einhergeht. Dieser paradoxe Zusammenhang führt dazu, dass eine inflationsausgleichende Dynamisierung der Leistungen und Anwartschaften trotz höherer Wiederanlagezinsen vorerst nicht möglich ist. Die Ergebnisse unserer ALM-Studien der letzten Jahre haben bereits auf diesen Sachverhalt hingewiesen. Er trifft insbesondere auf Versorgungseinrichtungen zu, die auf der Aktivseite eine am Kapitalmarkt angelehnte Bewertung vornehmen und auf der Passivseite eine weitgehend davon losgelöste.

Marktkommentar von Felix Cloos, Leiter Strategisches Consulting im Bereich Institutionelle & Asset Management (IAM) der apoBank

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Christoph Koos

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