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Krankenhausreform: Die Revolution macht Pause – der Klinik-Alltag nicht
Kommentar von Sandro von Korff, Bereichsleiter Firmenkunden bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Gut ein Jahr ist es her, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Krankenhausreform selbstbewusst als „Revolution“ angekündigt hat. Seitdem ist viel diskutiert worden, aber nichts beschlossen. Der Entwurf für den Umbau der Krankenhauslandschaft, genauer gesagt für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, der längst stehen sollte, steckt immer noch fest. Das mühsame Tauziehen zwischen Bund und Ländern wurde erstmal auf Januar vertagt. Zugleich hat der Bundesrat Ende November das Krankenhaustransparenzgesetz - eigentlich als Auftakt fürs große Ganze gedacht - mit knapper Mehrheit blockiert und in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Zu verwirrend für die Bürger, so die Kritik der Länder, sei das geplante Online-Portal, das Laien einen besseren Überblick über die Qualität der einzelnen Kliniken verschaffen soll. Und vor allem zu massiv der damit verbundene Eingriff in ihre Planungshoheit.
Noch viele Fragen offen
Im ersten Halbjahr 2024, heißt es, wird die Reform konkretere Gestalt annehmen. Und dann müssen noch einige Entscheidungen fallen, denn offen ist: Wer bekommt welche Leistungsgruppe zugewiesen? Wie viel Spielraum bleibt den Ländern? Welche medizintechnischen Investitionen und personellen Maßnahmen sind für Kliniken nötig, um die Qualitätsanforderungen zu erfüllen? Wie sehen die Erlösbudgets hinter der Systematik aus? Und wird es sich für einzelne Kliniken lohnen, sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen zu planen? Die Antworten liegen bis auf Weiteres im Nebel. Dass aktuell schon vielerorts größte Finanznot herrscht, macht die Lage nicht besser. Die rasche Auszahlung der Pflegebudgets von sechs Milliarden Euro an die Kliniken steht nicht zu Debatte, solange es keine Einigung zum Transparenzgesetz gibt. Ein Fünf- Milliarden-Euro-Sofortprogramm, wie von einigen unionsgeführten Ländern gefordert, scheint ausgeschlossen. Stattdessen werden im Frühjahr 2024 die bereits zugesagten Energiehilfen bereitgestellt. Im Sommer könnten dann die Landesbasisfallwerte vorzeitig angepasst werden. Für die langfristige Finanzierung der Reform steht außerdem ein von Bund und Ländern geplanter und milliardenschwerer Transformationsfonds zur Debatte, an dem Lauterbach trotz Haushaltskrise festhalten möchte.
Lösungen fürs kurzfristige Liquiditätsmanagement
Was das für Klinik-Entscheider bedeutet, die sich auf die Zukunft einstellen wollen? Die Antwort mag paradox wirken: Gerade weil so vieles unklar erscheint und damit die Option „Abwarten“ verführerisch wirkt, ist das Gegenteil richtig. Das gilt zunächst fürs kurzfristige Liquiditätsmanagement. Selbst aktiv werden, mithilfe professioneller Beratung Lösungen suchen, die Flexibilität ermöglichen, muss jetzt die Devise sein. Die Instrumente dafür gibt es, an welchen Häusern und in welchen Situationen sie Freiräume schaffen können, lässt sich am besten individuell klären.
Aber auch für mittel- und langfristige Projekte gibt es sinnvolle Lösungen. Die Fördermittel- und Zuschussberatung etwa schafft Klarheit darüber, ob und wie sich trotz knapper Kasse ohnehin notwendige Investitionen realisieren lassen, die spätestens mittelfristig auf die Krankenhaus-Liquidität einzahlen: In die Energieeffizienz etwa, eine Ausweitung der Zuweiserstrukturen oder neue Erlösquellen dank modernisierter Infrastruktur.
So verworren zudem die Details der auf Eis liegenden Krankenhausreform sind, so eindeutig zeichnet sich gleichzeitig ab, was den Geist ihrer zentralen Bausteine ausmachen wird. Auch dafür gilt es die Weichen zu stellen, selbst wenn die Politik noch streitet.
Aus eigener Kraft angehen, was ohnehin sinnvoll ist
Kliniken, die sich zum Beispiel bereits heute an den Qualitätskriterien orientieren, die in Nordrhein-Westfalen gelten, werden aller Voraussicht nach die Nase vorn haben. Der Blick in den Krankenhausplan NRW kann insofern auch für Klinikmanager in anderen Regionen aufschlussreich sein. Denn wann auch immer die neue Leistungsgruppen-Systematik kommt: dass sie es sein wird, die maßgeblich über die Erlösmöglichkeiten der einzelnen Häuser entscheidet, ist Konsens in der Gesundheitspolitik. Ebenso, dass eine saubere Datenqualität nach ICD- und OPS-Codes Pflicht sein wird, um sich für die Zuweisung der Leistungsgruppen in eine Pole Position zu bringen. Auch wer in Szenarien denkt und frühzeitig durchspielt, was für hybride Versorgungsformen eine Klinik künftig anbieten könnte, ist umso schneller handlungsfähig, sobald das gesetzgeberische Patt überwunden ist. Sinnvolle Investitionen, Kooperationen, Verbundlösungen, Zentralisierung: Aus eigener Kraft anzugehen, was ohnehin sinnvoll ist, wird morgen so richtig sein wie heute. Ganz egal, wie lange die Revolution in der deutschen Gesundheitspolitik noch auf sich warten lässt.