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apoBank Finanzmarktkommentar: Was bedeutet die EZB-Zinswende für die Finanzmärkte?
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat als erste der großen Notenbanken ihre drei Leitzinssätze um jeweils 25 Basispunkte gesenkt. Gleichzeitig stellt sie weitere Zinssenkungen in Aussicht. Was folgt daraus für das Zinsumfeld in den nächsten Monaten?
Hintergrund
Um dem starken Inflationsanstieg seit Mitte 2021 zu begegnen, reagierten die Notenbanken in weiten Teilen der Welt mit einer rekordschnellen Anhebung der Leitzinsen. So auch die EZB, die mit ihrer ersten Leitzinserhöhung im Juli 2022 nach Jahren der Null- und Negativzinsen etwas verspätet dem Trend folgte. Mit der Anhebung des Einlagesatzes bis auf 4,0 % (Hauptrefinanzierungssatz: 4,5 %) markierte sie im Herbst des vergangenen Jahres das höchste Leitzinsniveau seit Anfang der 2000er Jahre.
Seither ist die Inflation im Euroraum deutlich gesunken. Von in der Spitze über 10 % fiel die Teuerungsrate auf noch zuletzt 2,6 % im Mai. Auch wenn das Ziel der EZB, die Inflation bei 2 % zu verankern, damit noch nicht erreicht ist, fühlen sich die geldpolitischen Entscheider ausreichend sicher, dass dieses Inflationsziel mittelfristig erreicht wird. Bereits seit einigen Wochen hatten daher die Notenbanker in Frankfurt eine erste Leitzinssenkung in Aussicht gestellt und die Finanzmärkte darauf eingestellt.
Die Entscheidung kommt somit alles andere als überraschend. Die EZB reiht sich damit international in die allmählich größere Anzahl an Notenbanken ein, die ihre Zinsschraube zurückdrehen. Nach Zinssenkungen in zahlreichen Schwellenländern bereits zum Jahresbeginn haben zuletzt auch erste Notenbanken in Europa, die Schweiz und Schweden, ihren Leitzins erstmals wieder gesenkt. Trotzdem gehört die EZB mit ihrem Schritt noch immer zu den Vorreitern. Andere Notenbanken, allen voran die amerikanische Fed, müssen sich angesichts begrenzter Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung noch etwas zurückhalten.
Gehen die Zinssenkungen weiter?
Unsicherer ist hingegen, wie schnell weitere Zinsschritte folgen. Denn langfristig dürfte das Zinsniveau im Euroraum deutlich unterhalb des aktuellen Niveaus liegen. Die EZB hat also keine Eile. Erste Priorität bleibt, die Inflation nachhaltig auf 2 % zu senken. „Wir gehen davon aus, dass es die Inflation der EZB bis zum Jahresende gestattet, noch zwei weitere Male die Zinsen zu senken“, sagt Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank).
So sehen es derzeit auch die Mehrheit der Analysten. Risiken bleiben jedoch. Denn eine zuletzt noch immer erhöhte Inflation bei Dienstleistungen, die vom stabilen Arbeitsmarkt im Euroraum getragen wird, setzt einem entschlosseneren Handeln Grenzen. Ebenso wird sich die EZB an der Fed orientieren, die ihrerseits Zinssenkungen noch etwas aufschieben muss.
Folgen für die strategische Ausrichtung des Portfolios
Was heißt das nun für Investitionen am Kapitalmarkt? „Der Trend zu Leitzinssenkungen ist ein unterstützender Faktor für die Finanzmärkte“, erklärt Pfingsten. Dies gelte in erster Linie für die Rentenmärkte. Durch den Rückgang der Leitzinsen ergäben sich Chancen auf Renditerückgänge, die für Kursgewinne bei Anlegern sorgten sollten. „Wir haben dem zuletzt Rechnung getragen, indem wir in unserer Anlagestrategie das Gewicht europäischer Staatsanleihen erhöht haben. Implizit verlängern wir hierdurch auch wieder die durchschnittliche Laufzeit im Portfolio, da diese im Segment der Staatsanleihen am längsten ausfällt.“ Im Unterschied zu reinen Sparern, die ihr Geld auf ihrem Konto belassen, profitierten nun jene, die am Finanzmarkt Anlagen getätigt haben.
Aber auch für die Aktienmärkte ergeben sich nach Meinung des apoBank-Experten positive Folgeeffekte: „Da Aktien- und Rentenanlagen in unmittelbarer Konkurrenz zueinanderstehen, gewinnt die Aktienanlage bei sinkenden Zinsen an direkter Attraktivität. Der absehbar schwächere wirtschaftliche Gegenwind für Unternehmen und Haushalte stärkt zudem indirekt Risiko-Assets, die von einer höheren wirtschaftlichen Dynamik profitieren.“ Insgesamt bleibt die apoBank in ihrer Vermögensverwaltung aufgrund der gerade in den USA hohen Bewertungen bei Aktienanlagen neutral positioniert und setzt mit Europa und den Schwellenländern auf jene Regionen, die am schnellsten von sinkenden Leitzinsen profitieren.