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Pflege am Wendepunkt?

Blog-Eintrag -

Pflege am Wendepunkt?

Kommentar von Nicole Wortmann, Leiterin der Abteilung Gesundheitsmarkt und -politik bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)

Steigende Personalkosten, Preis-Explosionen und die historische Zinswende – dazu weniger staatliche Hilfszahlungen: Die Einrichtungen der Pflegebranche, schon vor Corona wirtschaftlich nicht auf Rosen gebettet, haben in den vergangenen Monaten vor allem mit düsteren Meldungen für Aufmerksamkeit gesorgt. Trotz ungebrochen starker Nachfrage nach Pflegeleistungen aus der Bevölkerung ist die Zahl der Insolvenzen von Pflegeheimen zuletzt massiv gestiegen. Die Vielfalt der Träger sinkt – und selbst die finanzstarken Konzerne, die den Markt zuletzt immer mehr anführten, haben ihre Wachstumspläne vielfach vorerst auf Eis gelegt. Nicht zuletzt die rasant gestiegenen Baukosten lassen die eigentlich bitter nötige Ausweitung der Kapazitäten für viele Entscheider wie ein Himmelfahrtskommando wirken. Andere retten sich in eine Plan-Insolvenz in Eigenverwaltung oder ein Schutzschirmverfahren, um zumindest ihr Überleben zu sichern.

Finanziell auf unsicheren Beinen

Viel Düsternis also auf dem deutschen Pflegemarkt. Und die Politik – aktuell mit der Krankenhausreform vollauf beschäftigt – scheint den Ernst der Lage nicht wahrzunehmen. So lässt das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz gerade in finanzieller Hinsicht noch viele Fragen offen. Die 6,6 Milliarden Mehreinnahmen, die die avisierte Beitragserhöhung der gesetzlichen Pflegeversicherung bringen soll, taugen wohl nur zur kurzfristigen Stabilisierung der Lage. Als echte Chance für vollstationäre Einrichtungen aber könnte sich die Aufnahme von Springer-Konzepten in die Regelfinanzierung erweisen: Bereits ab diesem Sommer können die Häuser pro 100 Bewohner sechs zusätzliche Vollzeitkräfte als dauerhaft beschäftigte Reserve-Kräfte in die Pflegesatzvereinbarungen aufnehmen. Was auch insofern dringend geboten erscheint, als die Einrichtungen bereits seit Juli dieses Jahres neue, strengere Personal-Quoten zu erfüllen haben.

Intelligente Verknüpfung von stationär und ambulant

Gerade der Blick auf die ambulante Pflege zeigt zudem, wo sich besondere Perspektiven bieten. Sie legt derzeit die stabilsten Wachstumsquoten vor: Vier von fünf Pflegebedürftigen werden mittlerweile ambulant versorgt, ein stetig steigender Anteil von ihnen mit Hilfe professioneller Pflege- und Betreuungsdienste. Zunächst, so die Pläne des Gesundheitsministeriums, sollen allein die Kommunen Konzepte für nachhaltige Pflege-Lösungen im Quartier entwickeln. Auf Dauer aber ist hier mit Sicherheit vor allem die Expertise und Kreativität der Pflegebranche selbst gefragt. Der Bedarf dafür bei den Pflegebedürftigen und den oft stark belasteten Angehörigen ist enorm, wie auch der zügige Ausbau von Tagespflegen und Angeboten zum Betreuten Wohnen belegt. Die Zukunft wird insofern denjenigen Anbietern gehören, die neue Geschäftsmodelle für eine intelligente Verknüpfung von ambulanter und stationärer Pflege vorantreiben – im besten Fall unterstützt von starken Anreizen des Gesetzgebers.

Raus aus dem Pflege-Blues

Wie wird das Zusammenspiel zwischen Level 1-Krankenhäusern, wie sie die Krankenhausreform vorsieht und den Pflege-Einrichtungen konkret aussehen? Wie lassen sich langfristig tragfähige Finanzierungs-Lösungen gestalten? Was unternimmt der Gesetzgeber, um die Anbieter von überbordender Bürokratie zu entlasten? Noch sind all diese zentralen Fragen nicht geklärt, noch hat die neu eingerichtete Kommission zur Konzeption der Langzeitversorgung ihre Vorschläge nicht präsentiert. Dennoch gibt es für Pflege-Anbieter Möglichkeiten, auch in finanziell angespannten Situationen wie derzeit ein wenig Druck aus dem System zu nehmen. Etwa mit einer engmaschigen Steuerung der Liquidität und dem Einsatz von Finanzierungs-Instrumenten wie Kontokorrentlinien und Cash-Pooling oder der Optimierung von Kreditoren- und Debitorenlaufzeiten. Damit Luft bleibt für das, was im Wettbewerb innerhalb der Pflegebranche auf Dauer zählt: Langfristiges Denken, Innovations- und Investitionsbereitschaft, attraktive Arbeitgebermarke - und vor allem die Orientierung an den sich wandelnden Bedürfnissen der Menschen, die Pflege benötigen.

Mehr zum Thema Pflegemarkt im Branchenreport Pflege „Zwischen Licht und Schatten“

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Anita Widera

Anita Widera

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